Montag, 19. August 2013

Ein Stück Weltgeschichte

In Shiraz erleben wir das erste Mal, das die Taxisuche auch ganz gesittet zu und her gehen kann. Am Busbahnhof angekommen werden wir gebeten, ein Ticket zu lösen, die Preise sind fix. Nichtsdestotrotz widerfährt uns im Taxi eine böse Überraschung. Aus den Boxen dröhnt das Gekrächze von Dieter Bohlen - cherry cherry lady…

Shiraz ist die Stadt des Weins - die gleichnamige Traube hat hier ihren Ursprung. Nach dem edlen Getränk sucht man im Ort jedoch vergeblich. Die Weinpoduktion ist im Iran seit der Revolution verboten. Einige Wenige produzieren den Shiraz noch im Versteckten. Aber es ist offensichtlich, durch das Verbot geht hier ein Kulturgut verloren. Vielleicht war es der Wein, den die bekannten Poeten aus Shiraz - zum Beispiel Hafez oder Sa’di - inspiriert hat?

Obwohl die Stadt Shiraz einige Sehenswürdigkeiten zu bieten hat, nutzen viele Touristen den Ort als Ausgangpunkt für einen Besuch der Persepolis (Stadt der Perser). Die Persepolis war eine Palastanlage der achämenidischen Herrscher. Darius liess die riesige Anlage ca. 515 v. Chr. bauen, seine Nachfolger erweiterten sie. Die  Achämeniden nutzten die Anlage hauptsächlich zur Feier des iranischen Neujahrsfest im März und zu Siegesfeiern nach grossen Feldzügen. Das Reich der Achämeniden war das erste persische Grossreich und erstreckte sich über Gebiete des Iran, Irak, Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan, Türkei, Zypern, Syrien, Libanon, Israel und Ägypten. Das Reich hat zahlreiche kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Errungenschaften hervorgebracht. 332 v. Chr. setzte  Alexander der Grosse die Persepolis in Brand - als Rache für die Zerstörung der Akropolis in Athen. Darauf folgte der Beginn des Untergangs der Achämeniden.

Es ist ein Schauplatz der Weltgeschichte, auf dem wir uns befinden. Meistens erkunden wir die Orte ja auf eigene Faust, was auch bei der Persepolis möglich wäre. Aufgrund der historischen Bedeutung entschliessen wir uns für eine Tour. Es sind nicht so sehr die Überreste, die beeindrucken. Die Grösse der Anlage können wir anhand der ausgegrabenen Überbleibsel nur erahnen. Vielmehr sind es die kleinen Geschichten rund um die achämenidische Königsfamilie, die mich in ihren Bann ziehen. Der riesige Palast zum Beispiel war nur Darius und seinen engsten Bediensteten vorbehalten. Nicht einmal seine Frau durfte ihn betreten. Ich frage mich, was macht ein König alleine mit ein paar Dienern in einem solch überdimensionierten Palast? Neben Persepolis besuchen wir noch die Felsgräber Nashq-e Rostam (Nekropolis) und die Überreste der ehemaligen achämenidischen Siedlung Pasargad.

Wir sind eine amüsante Gruppe, und sitzen abends noch lange zusammen. Hier lernen wir auch Oz kennen, mit dem wir die folgenden Tage unterwegs sind. Oz ist aus La-Chaux-de-Fonds und hat türkische Eltern. Wenn wir zu dritt unterwegs sind, meinen die Iraner, er sei einer von Ihnen der die Touristen herumführt.

Shiraz ist unsere letzte Station im Iran. Wir nehmen es gemütlich: kaufen auf dem Bazar Safran ein, bereiten die Weiterreise vor und lassen die Zeit im Iran nochmals Revue passieren.

Und kulinarisch?
Drei Wochen lang hat uns der iranische Kebab - oder Kabab begleitet. Nun ist es einmal an der Zeit, ein bisschen genauer darauf einzugehen. Ein Ode an das Kebab sozusagen. Kebab ist die Bezeichnung für Fleisch. Meist wird es am Spiess gegrillt. Die Variationen sind gross: Lamm, Poulet, Rind - eigentlich alles außer Schwein. In Filetstücken oder als Hackfleisch verarbeitet… Die Beilagen - oder besser gesagt die Beilage ist dagegen weit weniger vielseitig: Allermeistens wird Reis dazu serviert.

Auberginen spielen in der iranischen Küche eine wichtige Rolle. Besonders gut schmeckt mir Mirzaghazemi - ein leicht scharfes Auberginenpürée mit Tomaten, Knoblauch und Gewürzen.

An unserem letzten Abend kommen wir in den Genuss einer Iranischen Geburtstagstorte. In einem Restaurant feiert eine Iranerin ihren 28. Geburtstag, und tritt uns ein Stück ab. Sie schmeckt ein bisschen anders als “unsere” Schwarzwäldertorte, aber gut.


Ein Blick zurück...

Die drei Wochen sind wie im Flug vergangen. Ich habe versucht, ohne allzu grosse Vorstellungen in das Land einzureisen. Denn ich ahnte, es wird anders sein. Natürlich hat man trotzdem irgendwelche Bilder im Kopf. Und ja, das Land ist anders, als die Vorstellungen die ich vor der Reise hatte. Was hier abgeht ist nicht leicht zu beschreiben, man sollte es mit eigenen Augen sehen.

Als wir zuhause den Leuten erzählt haben, dass wir in den Iran gehen, sind wir oft auf skeptische Reaktionen gestoßen. Von “was wollt ihr dort?” über “ist das nicht gefährlich?” bis zu “seid ihr verrückt?” haben wir alles gehört. Und dies auch von Menschen, die sich als weltoffen bezeichnen würden.

Gefährlich ist es nicht. Wirklich nicht. Wir haben uns kein einziges Mal unwohl oder unsicher gefühlt. Im Gegenteil. Die Menschen sind sehr sehr hilfsbereit. Wenn sie sehen dass Touristen etwas verloren dastehen, bieten sie ihre Hilfe an. Immer wieder offerieren uns Einheimische Essen, zum Beispiel im Bus oder im Park Eine Gefahr gibt es im Iran allerdings: der Verkehr. Der kann schon mal lebensgefährlich sein. Auf der Strasse drängeln Autos, Motorräder und Mofas aneinander vorbei, jede Strassenüberquerung wird zum Spiessrutenlauf. Verkehrsregeln scheinen nicht zu existieren.

Im Iran treffen Moderne und Tradition knallhart aufeinander. Viele junge Iranerinnen und Iraner leben einen westlichen Lifestyle, haben die Menschen in Europa und den USA zum Vorbild. Sie sind überaus neugierig gegenüber Ausländern. Als Frau werde ich oft von jungen iranischen Frauen regelrecht angestarrt. Aus Bewunderung. Das schmeichelt mir natürlich ein wenig. Schenkt man den Frauen dann ein Lächeln, lächeln sie entweder zurück oder schauen verlegen weg. Aber auch die jungen Männer und Knaben sind neugierig. Oft rufen sie “hello Mister”, “how are you”, “welcome to Iran”. Alles was diese jungen Menschen wollen, ist ein Leben führen wie wir es tun.

Demgegenüber steht der traditionelle Lebensstil. Männer die sich in der Moschee treffen, Frauen im Tschador, kurz, Menschen für die der Glaube eine zentrale Rolle in ihrem Leben spielt. Inwiefern oder ob überhaupt sie unter dem Regime leiden (abgesehen von den ökonomischen Schwierigkeiten durch das Embargo) ist schwierig zu sagen.

Die ökonomischen Schwierigkeiten: Ahmadinejad hat mit seiner aggressiven Politik das Land ins wirtschaftliche Abseits befördert. Die internationalen Sanktion begünstigen die Inflation, die über 40 Prozent beträgt und möglicherweise die höchste der Welt ist. Das Wachstum ist negativ, es fehlt an Jobs. Die Leute klagen, dass alles immer teurer wird. Vieles, was früher selbstverständlich war, können sie sich heute nicht mehr leisten.

Sehr sehr traurig finde ich, dass eine grosse Mehrheit der jungen modernen Perserinnen und Perser nur ein Ziel hat: ins Ausland zu gehen. Viele würden lieber heute als morgen den Iran Richtung Westen verlassen. Oft hören wir das Wort “Freiheit”. Ein Grundbedürfnis jedes Menschen, dass das iranische Regime stark einschränkt.

Umso wichtiger ist für die Iranerinnen und Iraner, dass die Leute im Westen gut von ihnen denken. Sie sind es leid, vom Westen als Achse des Bösen wahrgenommen zu werden. Immer wieder fragen sie uns, was wir von ihnen halten. Das Aussenbild ist ihnen ausserordentlich wichtig. Hierzu ist jedoch auch zu sagen, dass die Iraner denken, das Bild von Ihnen sei im Westen schlechter als es ist. Einige Male hören wir, bei uns denken wohl alle, sämtliche Iraner seien Terroristen. 

Freiheit - die ist stark eingeschränkt im Iran. Wir merken das an kleinen Dingen: Webseiten, die nicht funktionieren, Bücher, die wir nicht herunterladen können, unsere Kleidung, die wir anpassen müssen. So erhalten wir nur eine Ahnung davon, wie geplagt die Iranerinnen und Iraner sind. Vor allem die Iranerinnen. Mittelalterliche Gesetze schränken die Rechte der Frauen stark ein. Will eine Frau heiraten, benötigt sie die Unterschrift ihres Vaters. Frauen ist es untersagt, zu Fussballspielen zu gehen. Frauen werden von gewissen Studiengängen ausgeschlossen, mit der Begründung, es gäbe zu wenig Jobs. Die Liste ließe sich endlos fortführen.

Das Fatale an der Situation ist: Die Menschen haben keine Hoffnung, dass sich ihre Situation in naher Zukunft verbessern wird. Die jeweiligen Präsidenten sind nur Marionetten Khameneis. Erst ein Abdanken seinerseits würde nach der Meinung vieler Einheimischer Möglichkeiten eröffnen. Kritische Stimmen fürchten aber die Übernahme durch dessen Sohn, was wohl noch schlimmer wäre. So denken nicht wenige, dass eine erneute Revolution notwendig wäre, um das Regime auszuwechseln. Einige meinen sogar, dass eine Intervention der USA - sprich Krieg - die Lösung wäre.

Sosehr die Menschen ihre Regierung und deren politische Ausrichtung hassen, so sehr sind sie stolz auf ihre persische Kultur. Die Leute sind stolz auf die glorreiche Geschichte, verehren ihre Dichter und Poeten, reisen viel im eigenen Land. 
Und reisen während dem Ramadan? Ganz ehrlich: ich würde während dem Ramadan nicht mehr in den Iran reisen. Tagsüber ist es mühsam an Essen zu kommen. Die Restaurants bleiben geschlossen. Oft essen wir im Hotelrestaurant oder kaufen etwas und essen es im Hotelzimmer. Das Wetter ist heiß - auch trinken ist tagsüber für Einheimische während des Ramadan untersagt. Als Tourist kann man auf der Strasse trinken - aber wir kommen uns gegenüber den Einheimischen doof vor. Als der Ramadan vorüber ist, ist die Stimmung lockerer. Die Leute picknicken im Park, essen Glacé, sitzen in den Teehäusern.

Die Reise durch den Iran war ein Erlebnis, ein bisschen Abenteuer. Drei Wochen reichen vollkommen aus um die wichtigen Sehenswürdigkeiten zu sehen. Die Art der zu bestaunenden Objekte wiederholt sich ab einem gewissen Zeitpunkt: Moscheen, Bürgerhäuser, Medresen, Paläste, Persische Gärten… Die Landschaft ist nicht sehr vielseitig. So schön und intensiv die Zeit in Persien war, freuen wir uns nach drei Wochen, weiterzuziehen.

Eine Iranreise kann ich aber jedem empfehlen. Obwohl ich hier versucht habe, die Eindrücke auf Papier zu bringen, ist es schwierig, dieses verrückte Land zu beschreiben. Um sich wirklich ein Bild zu machen, muss man Persien selbst erlebt haben.  



Felsgräber der Nekropolis

 

 
Persepolis

 





Shiraz






Mirzaghazemi

 


Kebab (hier Version Chicken)

 


Geburtstagskind (2. von links)



2 Kommentare:

  1. Tschau zäme,

    Tolle Berichte, war doch 1978 schon so oder ähnlich. Wünsche euch beiden noch weiterhin schöne Erlebnisse, und bis bald.

    Stefan

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  2. Salü Stefi

    Danke. Und ich bin gespannt zu hören wie es anno 1978 war, vor der Revolution!

    Liebe Grüsse
    Christine

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