Donnerstag, 11. Juli 2013

Alte Griechen und reiche Türken

Wir sind noch die Erzählung des Ausgangs der Autogeschichte schuldig. Schon am Abend merken wir, dass der Schlüssel eventuell wieder funktionieren könnte, da das rote Lämpchen ab und zu leuchtet. Unser Auto ist ja bekanntlich auf der Insel gestrandet. Gemäss Auto-Mietvertrag ist es untersagt, mit dem Auto auf die Fähre zu fahren. Wir wunderten uns noch darüber. Allmählich wird uns klar wieso: weil es echt voll mühsam ist, wenn das Auto auf einer den Geist aufgibt. Aber die Situation haben wir uns selbst eingebrockt, also nehmen wir am nächsten Tag den Weg mit Taxi, Fähre und Bus wieder auf uns. Der Taxifahrer führt im Taxi eine Pistole mit. Darauf angesprochen zuckt er nur mit der Schulter. Er spricht kein Englisch, und mein Türkisch reicht nicht aus, um ihn zu fragen ob die geladen sei. Wir gehen mal nicht davon aus. 
Beim Auto angekommen stellen wir fest, dass alles wieder funktioniert. So weit so gut. Allerdings war mit der Autovermietung bereit veranlasst, dass ein lokaler Automechaniker vor Ort kommt. Also müssen wir nochmals warten, es scheint viel los zu sein. Zugegeben, es gibt Schlimmeres als an einem Ort mit Sandstrand und türkisblauem Wasser die Zeit totzuschlagen.
 

Einen Tag später als geplant fahren wir für zwei Tage nach Çeşme. Çeşme ist ein gemütlicher Ferienort, in dem vor allem Türken Urlaub machen. Türken die es sich leisten können - je näher wir dem Ort kommen desto protziger werden die Autos. Ausländer wie uns sieht man in Çeşme eher weniger. Aber es muss sie geben, denn im Restaurant wollen sie uns Nescafé servieren und machen ein erstauntes Gesicht, als wir türkischen Kaffee bestellen. Der Wind ist hier deutlich schwächer als weiter nördlich, somit beschränken sich unsere Aktivitäten vor allem auf Strand. 

Ein abendlicher Ausflug nach Alaçati muss aber sein. In Alaçati war bis vor zehn Jahren nicht viel los, dann hat sich der Ort zu einem beliebten Ferienort für die Reichen entwickelt und ist heute wahrscheinlich das Nizza der Türkei. Das Dörfchen ist malerisch und der griechische Einfluss verleiht dem Ort einen gewissen Charme. Das Essen ist allerdings mässig gut und die beim Service spürt man, dass es die Restaurants nicht nötig haben sich Mühe zu geben. Das Schaulaufen der operierten Nasen, der aufgespritzten Lippen und der Silikonbrüste hingegen ist unbezahlbar. Hier scheint sich wirklich Reich und (möchtegern-)Schön zu tummeln. Zwei Raki lang beobachten wir das Treiben, und sind dann froh wieder gehen zu können. Zu viel Etepetete, zu wenig Authentizität.
 

Die nächste Station ist Ephesos - eine antike griechische Stadt, die zu ihrer Blütezeit vor rund 3000 Jahren zu den bedeutendsten und grössten ihrer Sorte gehörte. Rund 200’000 Menschen lebten in Ephesos. Der Tempel der Artemis gehörte zu einem der Sieben Weltwunder der Antike. Rund 18 Prozent der Überreste sind freigelegt, der Rest liegt noch immer verschüttet unter der Erde. Trotzdem kann man sich mit ein wenig Phantasie die Grösse der Stadt vorstellen. Die Vorstellung, wie die Griechen wohl gelebt haben bleibt ungleich schwieriger, denn sichtbar ist vor allem die zentrale Infrastruktur wie das grosse Theater für 25’000 Personen, die Bibliothek und die Latrine, wo sich wohlhabende Bewohner einen privaten Klositz erkaufen konnten. Es war eine Hochkultur, die hier gelebt hatte, soviel ist klar. Die Häuser  waren sogar mit Bodenheizung ausgestattet. Beim Verlassen der Stätte geschieht dann etwas Skurriles. Jonas bestaunt vor dem Ausgang die Büste eines alten Griechen, dabei wird er beobachtet. Die Pforte passiert werden wir angesprochen, ob wir nicht so etwas kaufen möchten. Wir verneinen. Die zwei Typen winken uns zu einem Taschenladen, der eine holt hinter gefälschten Louis-Vuitton-Taschen einen ein Zeitungspapier eingewickelten Kopf aus Stein hervor. Auf die Frage wo der her sei, sagen die beiden aus der Ephesos-Bibliothek. Der Kleinere zeigt seinen “offiziellen” Ausweis, der genauso gut gefälscht sein kann. Der andere meint, er verkaufe viel Ware an Europäer. Auf meine Zweifel an der Legalität dieser Praxis erwidert er nur: “who is Government”? Wir verabschieden uns. Mist, wir hätten fragen sollen wie teuer das Stück war, das hätte mich schon interessiert. Keine Ahnung ob der Kopf wirklich aus der antiken Bibliothek stammt oder eine Fälschung ist (Zweiteres ist wohl wahrscheinlicher).
 

Am Abend bringen wir Sarah zum Flughafen. Abschiede sind doof. Für die letzte Nacht an der Ägäis haben wir ein Hotel in Kusadasi gebucht - ein Fehlentscheid. Kusadasi ist sehr touristisch, aber im Unterschied zu Çeşme tummeln sich hier vor allem Nordeuropäer. Dies hat zur Folge, dass kulinarisch hier nicht viel zu erwarten ist (wir bestellen zwar Kebab - was in der Türkei einfach Fleisch ist, werden dann aber gefragt ob wir dazu Ketchup und Mayo möchten), dass Irish Pubs und Diskotheken den Strassenrand säumen und dass überall haufenweise Kitsch angeboten wird. 

Und kulinarisch?
In Çeşme wird uns das erste Mal zum Frühstück Kaymak serviert. Dies ist ein Aufstrich, der aus Rahm hergestellt wird und schmeckt so so gut. Ich will mehr davon. Meine liebe Freundin die es wissen muss hat gute Nachrichten für mich: in Anatolien gibt es den besten Kaymak. Die Vorfreude auf Anatolien wird augenblicklich noch ein bisschen größer. Zu erwähnen ist auch der türkische Fast Food, der von der Qualität her eigentlich keiner ist. An der Autobahnraststätte essen wir Salat mit kreativen Dekorationen und Lahmacun und Pide um die Ecke können es qualitätsmässig mit Restaurant-Essen aufnehmen. 


Serie Pleiten, Pech und Pannen, Episode 2: 

Wir fahren von Çeşme 2 Stunden nach Ephesos. Kurz vor Ephesos bemerken wir, dass unsere Pässen und der Bargeldvorrat in Çeşme liegen geblieben sind. Besonders clevere Touristen wie wir verstecken dies unter der Matratze (was zugegeben echt dämlich ist). Also machen wir nach dem Besuch der Ruine nochmals einen kleinen Umweg. 

Fazit nach einer Woche Auto fahren in der Türkei: Das türkische Strassenbauamt scheint Rotlichter zu mögen, sosehr dass diese sogar IM Kreisel installiert werden. Rotlichter und andere Verkehrsregeln scheinen eher eine Empfehlung als eine verbindliche Vorgabe zu sein. In der Türkei fährt der Mann - immer. Es sei denn es ist keiner dabei. 



Strandleben in Cesme



Das grosse Theater in Ephesos










Ornamente


 Bibliothek




Passage



Kaymak







 Ayvalik-Toast (Fastfood-Spezialität der Region)



Tankstellen-Imbissbude-Salat







1 Kommentar:

  1. Bitte lasst die Finger von alten Steinen und ähnlichem, was archäologisch sein könnte! Siehe hier: http://www.tagesschau.sf.tv/Nachrichten/Archiv/2012/07/30/Schweiz/Walliser-Polizeichef-bei-Tuerkei-Urlaub-festgenommen
    Schöner Bericht :-)
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

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